Stimmen zum Buch

Aufrichtig und konkret
Heckel schönt nicht, verklärt nicht, zeigt zu keiner Zeit die Absicht, den Abstinenzler zum kathartischen Weisen zu erheben. Pathos liegt ihm fern. Es scheint dem 62-jährigen in der Hauptsache darum zu gehen, zu sagen, was ist, vor, im und nach dem Delir. So provoziert man Wahrnehmung … Mit Hilfe von Philosophie, Literatur und Naturwissenschaft tastet der Diplom-Bibliothekar nach den Ursachen dieser Krankheit, in der eigenen Biografie ebenso wie in der seiner Mitpatienten. Die Symptome sind zahllos und doch bleibt als Diagnose das nüchterne Konzentrat: »Alkoholismus ist die Nicht-Gestaltung des Lebens.«
Bei einer ebenso komplexen wie eloquenten Analyse der Sucht fällt auch ein Schatten auf die Menschen im Umfeld des Säufers, die soziokulturellen Zusammenhänge, die das öffentliche Trinken viel eher goutieren als das weicheierige Beim-Glas-Wasser-bleiben.
Dem vermeintlichen Guten des sich Zuschüttens räumt Heckel auch einen Platz ein, erinnert sich des Runterkippens bis zur »schmerzfreien Behaglichkeit«. Ohne Stoff seien für ihn Emotionen und Hoffnungen nicht verfügbar gewesen. 30 Jahre lang war das so. Seit 17 Jahren ist er trocken. Kein Grund zur Euphorie – Heilung exklusive. Aber zur aufrichtigen, manchmal durchaus auch satirischen Gebrauchsanweisung für andere. In die mündet dieses Werk, das mit seinen vielseitigen konkreten Ratschlägen zum Nachschlagewerk für Aussteiger und Angehörige werden könnte.
Andrea Schlaier
Süddeutsche Zeitung

Spannend und erschreckend echt
Einfach und doch beredt, bisweilen nah an Poesie, hat Heckel den Krimi seines Lebens geschrieben. Von der ersten Minute an spannend und erschreckend echt, rechnet er mit sich selbst und der Gesellschaft ab. Nicht zynisch und voller Selbstmitleid, sondern offen für alles – und nach vorne orientiert … Das Buch strahlt über weite Strecken die Kraft eines Romans aus. Fakt ist, es empfiehlt sich für jedermann – auch für Frauen. Für Alkoholiker, Antialkoholiker und alle die glauben, irgendwo dazwischen zu sein.
Freisinger Neueste Nachrichten

Radikal ehrlich
Heckel ist sich selbst und seinen Leserinnen und Lesern gegenüber radikal ehrlich, weil er weiß, es ist das Einzige, was wirklich hilft.
Dieter Lattmann
Schriftsteller

Aufklärend und zugleich emotional anrührend
„Ich habe Glück gehabt,“ folgert der Autor im Epilog . Nach dem „dreißigjährigen Krieg gegen mich selbst“ sei in ihm noch genügend Unverletztes vorhanden gewesen zu einem Neuanfang. Anstatt sich „Tag für Tag eine flüssige Kugel in den Kopf zu schießen,“ begann er am 13. Juni 1986 mit der bis dahin vermiedenen Gestaltung seines Lebens. Dieser Prozess, davon legt das Buch ebenso ehrlich wie vielschichtig Zeugnis ab, dauert an. Er gelingt nur ohne Alkohol.
Die Entscheidung, betont Jürgen Heckel, gelte aber allein für ihn. Er wolle weder die Gesellschaft, die diese Droge dulde und ihrerseits durchaus typische Sucht-Merkmale aufweise, anklagen noch jedem „Abstinenz“ predigen. Denn „Alkoholismus kommt nicht vom Alkohol.“ Er sei vielmehr Zeichen eines umfassenden Mangels in der Persönlichkeit. Diese bestehe gleichsam nur aus voll gesoffenen Löchern, die zugleich Defizite in den sozialen Beziehungen anzeigten.
„Genusstrinker“, so wird vorab unterschieden, tun vielleicht manchmal des Guten zu viel, in der Regel hören sie jedoch rechtzeitig auf. Auch die zahlreichen „Alkoholmissbraucher“, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit dem öden Alltagstrott oder Schwierigkeiten entfliehen, können trotzdem, wenn sie wollen oder müssen, das Trinken sein lassen. Der Begriff „Alkoholiker“ bleibt dagegen Menschen „mit einem unstillbaren Verlangen nach Alkohol“ vorbehalten.
„Ich trank, um betrunken zu werden“, charakterisiert Heckel seine Sucht. Er versteht sie als Krankheit im Sinne von Siechtum. Der veraltende Ausdruck ist umfassender als das, was die Spezialisten des jeweiligen Fachgebietes an Symptomen, Ursachen und Folgen der alles beherrschenden Abhängigkeit erkennen. Der scheinbaren Eindeutigkeit wisssenschaftlicher Definitionen hält der durch Schaden klug gewordene Experte in eigener Sache das letztlich Unerklärliche entgegen: ein dem Willen entzogenes Sich-Erschöpfen auf der Flucht vor dem Leben.
Die Disposition dazu lasse sich weder ausschließen noch früh erkennen, und niemand außer dem Betroffenen könne die Diagnose stellen, „ob Alkohol für ihn zu einem unlösbaren Problem geworden ist.“ Der Drang nach „immer mehr“, das verdeutlicht Heckel eindrücklich, muss als unheilbar hingenommen werden. Wer gegen die Sucht kämpfe und den Wunsch, Sieger zu sein, nicht aufgebe, verharre in seiner Abhängigkeit. Frei für eine tiefgreifende Veränderung mache erst „das Eingeständnis der Niederlage.“ Auch Ärzte und andere professionelle Helfer müssten vor dem Alkoholismus kapitulieren. Indem sie ihre Machtlosigkeit annehmen, könnten sie offen sein für die Möglichkeiten der Selbsthilfe, als einfühlsame Begleiter von denen lernen, die den Suchtkäfig verlassen, und ihnen bei Bedarf zur Verfügung stehen mit ihrer geschulten Kompetenz für eine Ich-Du-Begegnung.
Obwohl seine Trockenheit schon bald 19 Jahre währt, ist sie, so weiß Heckel, bloß „eine auf den Tag bemessene Bewährungsfrist“. Der Leiter der Stadtbücherei Garching bleibt bekennender Alkoholiker. Wie er heute damit leben kann, verdankt er den Erfahrungen bei den Anonymen Alkoholikern. Sie prägen sein Buch, ohne dass es als autorisierte Veröffentlichung über AA missverstanden werden sollte. Die Sprache in den Gruppe wirke auf Außenstehende leicht „altmodisch und frömmelnd“. Aus dem eigenen Erleben heraus geschrieben, kann dieser Annäherungsversuch, aufklärend und zugleich emotional anrührend, Süchtige wie Nichtsüchtige erreichen.
Jürgen-Peter Stössel,
Medizinjournalist in Freiburg

Erlebendes Schreiben
…. Irgendwo im Text sagt der seit seinem Tiefpunkt am 13.6.1986 trockene Alkoholiker und Leiter der Stadtbücherei Garching: „Informationen aus Büchern sind rohe Zutaten, in der Gruppe werden sie gekocht“. Übertragen auf seinen „Erlebnisbericht“ über die menschliche Grunderfahrung Sucht heißt dies: Das, was die Sach-, Fach- und Ratgeberliteratur zum Thema immer nurmehr emotionslos konstatieren kann, wird bei Heckel zum „erlebenden Schreiben“, ein einfühlsames, aber auch mit Überzeugung, Biss und klaren Konturen versehenes Dokument des Ein- und Abstiegs in die Abhängigkeit sowie auch des Wegs aus ihr. Dabei lässt uns der Autor nicht nur teilhaben an seiner Suchtkarriere, sondern flicht immer auch den notwendigen Kenntnisstand der Forschung und die überragende Bedeutung der Selbsthilfegruppe ein. Wie sich so Persönliches und Übergreifendes verschränken, und dies in einer selten gewohnten Sprachmächtigkeit, das ist mehr als nur Schreiben als Therapie. Denn wie sich hier einer nach dem Tiefpunkt im wahrsten Sinne „das Leben nimmt“, das muss an die breite Öffentlichkeit zwecks Aufklärung und Hilfestellung.
Uwe-Friedrich Obsen
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