Arbeit im Gefängnis

Achtung und Toleranz

Unsere Arbeit im Jugendarrest

von
Jürgen Heckel
Seit über drei Jahren arbeiten mein Kollege Thomas Purucker und ich im Jugendarrest München.
Unvorbereitet, auch unüberlegt haben wir damit angefangen, hatten aber die Bereitschaft, uns auf die Teilnehmerlnnen und auf das unplanbare Geschehen in diesen Seminaren einzulassen. Unsere Fähigkeiten und Kenntnisse basieren auf langjähriger Tätigkeit als Kommunikationstrainer, Erfahrungen mit tzi (Themenzentrierte Interaktionen nach Ruth C. Cohn) und eigenem Erleben in Selbsthilfegruppen.
In einigen Gruppen hatten wir Erfolg, von anderen waren wir enttäuscht. Aber es wurde mit der Zeit immer besser, unabhängig von der Zusammensetzung der Gruppe.
Intensiv haben wir darüber nachgedacht, welche Gründe es dafür gibt. Von Ruth Cohn wissen wir, dass ein Thema erst dann anfängt zu leben, wenn es etwas mit uns zu tun hat. Wir Referenten haben beide Drogenerfahrungen, sind seit vielen Jahren trocken, die Teilnehmerlnnen spüren sofort, dass sie uns in Bezug auf Drogen nichts vormachen können. Das ist die Grundlage einer guten
Beziehungsebene und begründet einen lebendigen Bezug zwischen Inhalt und Vortragenden.
Wir haben selbst erfahren, dass der Mensch den für ihn richtigen Lebensweg am besten dadurch findet dass er Kontakt gewinnt zu seinem inneren Kompass. Das haben wir in den Gruppen uns zum Ziel gesetzt.
Referate zum Thema „Achtung und Toleranz“ und Demokratie helfen nicht weiter. Das wäre, selbst wenn sie sehr gut sind, zu abgehoben, zu ich-fern, zu langweilig. Wir präsentieren ihnen die „Toleranzampel“ nicht, sondern sorgen dafür, dass das Thema „Achtung und Toleranz“ gemeinsam Schritt für Schritt erarbeitet wird. Die Gruppe wächst und wächst und wir staunen, dass es in den Gruppen so offen, ergreifend und bewegungsreif zugeht. Am dritten Tag ist sie – meistens – eine Nichttherapiegruppe mit therapeutischer Qualität.
Wir wundern uns immer wieder: Die Teilnehmerlnnen sind erstaunlich schnell bereit, Selbstkritik zu äußern und Fremdkritik zu akzeptieren. Wir vermuten, dass die neue Qualität der Beziehungen untereinander die Veränderungen herbeiführen.

Ein kurzes Papier hierzu als PDF zum Download: Gefängnisarbeit 2020_(4)